I – Einführung

Liebe Freunde und Mandanten,

Wir hoffen, dass es Ihnen gut geht und dass alle gesund sind. Hier einige interessante Artikel aus der Rechtswelt.

Der erste Beitrag dieser Ausgabe befasst sich mit „Die einseitige Kündigung befristeter Dienstleistungsverträge“, wo man sehen kann, dass hinter vermeintlich einfachen Lösungen wichtige Eventualverbindlichkeiten verstecken.

In dem Artikel über „Brasilien unterzeichnet die Singapur Konvention der UN” werden einige relevante Punkte in diesem Zusammenhang hervorgehoben.

In dem Artikel „ Der brasilianische Datenschutzbeauftragte (Data Protection Officer – DPO)“ weisen wir auf die Verpflichtung alle Unternehmen, einen Datenschutzbeauftragten (DSB) zu benennen.

Viel Spass bei der Lektüre! Das Team von Stüssi-Neves steht Ihnen für Rückfragen jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Gustavo Stüssi Neves
gustavo.stussi@stussinevessp.com.br

II – Artikel

1. Die einseitige Kündigung befristeter Dienstleistungsverträge

Jeden Tag werden Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen abgeschlossen. Es gibt dafür zahllose Musterverträge, die von den Unternehmen im Tagesgeschäft verwendet werden.

Gerade weil diese Verträge so häufig vorkommen, werden immer wieder Musterverträge oder bereits angepasste Verträge als Grundlage für oft spezifische Bedürfnisse jedes Geschäfts verwendet. Nicht selten führt dies jedoch mit der Zeit zu Verzerrungen und Ungenauigkeiten, die wiederum bestimmte Risiken mit sich bringen, die bei der Unterzeichnung solcher Verträge nicht absehbar waren.

Einer dieser Fälle, der recht häufig auftritt, ist die Regelung der Möglichkeit einer einseitigen Kündigung ohne Kündigungsgrund ohne Vertragsstrafe. So gibt es Klauseln, die das jederzeitige Recht einer Partei vorsehen, die Beziehung ohne Vertragsstrafe durch eine Mitteilung ihrer Entscheidung an die andere Partei zu beenden, häufig unter Beachtung lediglich einer Kündigungsfrist und nicht der ursprünglich festgelegten Laufzeit.

Diese Art von Vertragsbestimmung kann jedoch für die Parteien eine Falle darstellen, weil der Eindruck entsteht, dass der Vertrag ohne Konsequenzen einseitig gekündigt werden kann. Viele Juristen sind der Auffassung, dass die vorzeitige Beendigung ohne Kündigungsgrund nach Artt. 602 und 603

Zivilgesetzbuch zur Entstehung Schadensersatzanspruchs der Partei, die die Kündigung nicht zu vertreten, führt:

Art. 602. Der Dienstleister, der einen befristeten Vertrag oder ein Vertrag über ein bestimmtes Werk abgeschlossen hat, darf der Dienstleistung ohne wichtigen Grund nicht fernbleiben und diese nicht abbrechen, bevor die Laufzeit nicht beendet bzw. das Werk nicht abgeschlossen ist.

Einziger Absatz. Bricht er die Dienstleistung ohne wichtigen Grund ab, hat er Anspruch auf die fällige Gegenleistung, haftet aber für Schäden und Verluste. Dasselbe gilt für den Abbruch aus wichtigem Grund.

Art. 603. Wird der Dienstleister ohne wichtigen Grund von seiner Dienstleistung entbunden, ist die andere Partei verpflichtet, ihm die vollständige bereits fällige Gegenleistung sowie die Hälfte der Gegenleistung zu zahlen, die ihm bis zum rechtmäßigen Ende der Laufzeit zustehen würde.

Die brasilianische Rechtsprechung vertritt bei diesem Thema noch keine einheitliche Position. Der Superior Tribunal de Justiça (STJ – bras. BGH) diskutiert, (i) ob eine Klausel in einem befristeten Dienstleistungsvertrag zulässig ist, die die Möglichkeit der einseitigen Kündigung des Vertrages nach vorheriger Mitteilung an die andere Partei vorsieht und (ii) ob die Partei, die diese Art von Rechtsgeschäft abschließt und der Klausel des ausdrücklichen Verzichts auf den Schadenersatzanspruch zustimmt, im Fall der vorzeitigen Kündigung ohne Kündigungsgrund nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, wenn er wegen der Kündigung gerichtlich einen Schadenersatzanspruch geltend macht.

Es gibt Gerichtsentscheidungen, nach welcher die Partei, die sich dazu entschlossen hat, die Beziehung vorzeitig zu beenden, selbst dann zum Schadenersatz verpflichtet ist, wenn der Vertrag jegliche Strafe bzw. jeglichen Schadenersatz ausdrücklich ausschließt.

Wie man sieht, können sich hinter vermeintlich einfachen Lösungen wichtige Eventualverbindlichkeiten verstecken.

Solange es keine einheitliche Position unserer Gerichte gibt, empfehlen wir den Parteien im Moment des Vertragsschlusses besondere Aufmerksamkeit und die Bewertung potenzieller Risiken aufgrund einer eventuellen Beendigung befristeter Verträge.

Eine Alternative könnte die Formalisierung von befristeten Verträgen mit einer Bestimmung einer Beendigung durch Erfüllung einer einfachen, von beiden Parteien definierten Kündigungsfrist sein, womit die Zahlung das Risiko der Zahlung von Schadenersatz wegen der Beendigung beseitigt werden könnte. Die Durchführbarkeit dieser Alternative sollte in jedem konkreten Fall mit anwaltlicher Orientierung geprüft werden, weil selbst die unbefristeten Verträge zu zusätzlichen Pflichten führen können, wenn die Kündigungsfrist bspw. mit den zu Beginn des Vertrages oder der Investition der Parteien geschaffenen Erwartungen vereinbar ist.

Die Frage der Beendigung unbefristeter Verträge wird in einem späteren Artikel behandelt.

Charles Wowk
Partner der Zivilrechtsabteilung – São Paulo
charles.wowk@stussinevessp.com.br

2. Brasilien unterzeichnet die Singapur Konvention der UN

Am 04. Juni 2021 hat Brasilien als 54. Unterzeichnerstaat das Abkommen über Mediation (Singapur Konvention) der UN unterzeichnet, das am 12. September 2020 in Kraft getreten ist.

Durch die Singapur Konvention wird eine Lücke der grenzüberschreitenden Durchsetzung aus internationalen Mediationen hervorgegangener privater Vergleichsvereinbarungen geschlossen und damit Abhilfe in Situationen geschaffen, die nicht nur die internationalen Beziehungen von Nationen erschwerte, sondern auch das Ansehen der gütlichen Einigung von Konflikten beeinträchtigte.

Ähnlich wie die New York Konvention für internationale Schiedsverfahren aus dem Jahr 1958 fördert die Singapur Konvention Sicherheit und Vollstreckbarkeit schriftlicher Vergleichsvereinbarungen aus Mediationen im Bereich des internationalen Handels.

Die Mediation, die in Brasilien durch das Gesetz Nr. 13.140/2015, die Zivilprozessordnung und die Resolution Nr. 125/100 des Nationalen Justizrates geregelt ist, bietet den Parteien folgende Vorteile: Vertraulichkeit, Entbürokratisierung, Schnelligkeit und geringere Kosten – im Vergleich zu herkömmlichen Gerichts- und/oder Schiedsverfahren – und schließlich die Möglichkeit der Mediationsparteien, mit Hilfe des Mediators zu einer individuellen Lösung zu kommen.

Der Beitritt Brasiliens zu diesem Abkommen, das von soliden Handelspartnern wie China, Indien und den USA bereits unterzeichnet wurde, bringt aus wirtschaftlicher Sicht grundsätzlich nur Vorteile, insbesondere weil sie den Parteien und ausländischen Investoren in Bezug auf internationale Mediationen in Handelssachen mehr Rechtssicherheit bringt.

Nachdem Brasilien Unterzeichnerstaat geworden ist – Willensäußerung des Vertreters des Staates, durch ein Abkommen als abgeschlossen gilt – bedarf es der Erfüllung einiger Voraussetzungen, damit die Konvention effektiv in die brasilianische Rechtsordnung integriert wird: (i) Genehmigung durch beide Häuser des Nationalkongresses durch legislative Verordnung gemäß Art. 49, der brasilianischen Bundesverfassung von 19088; (ii) Ratifizierung und Verkündung durch den Präsidenten der Republik durch eine Präsidialverordnung; (iii) Veröffentlichung der Verordnung des Präsidenten im Bundesanzeiger.

Wenn diese Etappen durchlaufen wurden, was allerdings noch einige Monate dauern kann, wird erwartet, dass Brasilien, das bereits als arbitration friendly angesehen wird, einen grossen Schritt in Richtung der Kultur nicht streitiger Einigungen macht und in nächster Zukunft Referenz für die Methoden gütlicher Konfliktlösung sein wird.

Matheus Araujo Oliveira und Thiago Stüssi LL.M. (Berlin)
Anwälte der Zivilrechtsabteilung – Rio de Janeiro
matheusoliveira@stussi-neves.com und thiagostussi@stussi-neves.com

3. Der brasilianische Datenschutzbeauftragte (Data Protection Officer – DPO)

Der Datenschutzbeauftragte ist die vom Unternehmen benannte Person, die für die Kommunikation zwischen dem Unternehmen, dem Inhaber der personenbezogenen Daten und der brasilianischen Datenschutzbehörde ANPD verantwortlich ist. Die ANPD ist für die Überwachung der Erfüllung des Allgemeinen Datenschutzgesetzes, Gesetz 13.709/2018 zuständig.

Artikel 41 LGPD verpflichtet alle Unternehmen, einen Datenschutzbeauftragten (DSB) zu benennen.

Bisher gibt es keine Ausnahmen von der im vorstehenden Absatz erwähnten Regel, obwohl das Thema bereits Gegenstand einer öffentlichen Anhörung ist, bei der es um die Entlastung kleinerer Unternehmen, wie Kleinstunternehmen, Kleinunternehmen, Startups, juristischen Personen ohne Gewinnzwecke, natürliche

Personen und Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit geht. Benennen diese Unternehmen bzw. Organisationen Datenschutzbeauftragten, wird geprüft, ob zumindest die Verpflichtung eines Kommunikationskanals mit dem Inhaber von Daten erfüllt wurde.

Wir möchten darauf hinweisen, dass die vorgenannte Entlastung nur bezüglich des Datenschutzbeauftragten erfolgt. Das LGPD ist ansonsten auch auf kleine Institutionen anwendbar, die Daten verarbeiten.

Da die öffentliche Anhörung der ANPD noch nicht abgeschlossen wurde, wurde ihr Gutachten noch nicht veröffentlicht.

Was genau macht ein Datenschutzbeauftragter? Laut des bereits erwähnten Artikels 41 hat dieser folgende Aufgaben: 1) Beschwerden und Mitteilungen der Dateninhaber entgegennehmen, Erklärungen abgeben und Maßnahmen ergreifen, 2) Mittteilungen der nationalen Behörde entgegennehmen und erforderliche Schritte einleiten, 3) Mitarbeiter und Beauftragte der Organisation über zu ergreifende Maßnahmen für den Schutz personenbezogener Daten orientieren und 4) die übrigen vom Data Controller oder in ergänzenden Vorschriften festgelegten Aufgaben wahrzunehmen.

Ist es möglich, die Funktion des Datenschutzbeauftragten in Brasilien an Dritte zu vergeben? Im LGPD ist kein Verbot der Auslagerung des Datenschutzbeauftragten geregelt. Bei dem DSB muss es sich daher nicht zwingend um einen Mitarbeiter des Unternehmens handeln.

Mit der Beauftragung eines externen Datenschutzbeauftragten können sich die Unternehmen auf das Core Business konzentrieren, um das Unternehmen nicht zu überlasten und ihre Beschäftigungsverhältnisse nicht zu beeinträchtigen, da die Benennung eines DSB unter Mitarbeitern rechtliche Folgen wie die Zahlung von Zuschlägen wegen Abweichung von der ursprünglichen Funktion oder der Ausübung zweier Tätigkeiten haben kann.

Die Beauftragung eines Datenschutzbeauftragten als regulärer Mitarbeiter des Unternehmens ist natürlich dann gerechtfertigt, wenn die Größe des Unternehmens und das Volumen von Daten so hoch ist, dass dieser Mitarbeiter ausschließlich diese Funktion ausübt.

Die brasilianische Rechtsanwaltskammer hat in ihrer Antwort auf die Anfrage Nr. E-5.537/2021 Rechtsanwälte autorisiert, offiziell die Funktion des Datenschutzbeauftragten zu übernehmen.

Die Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung des LGPD, das bereits Anfang August in Kraft getreten ist, inklusive hinsichtlich des Fehlens eines Datenschutzbeauftragten, sind nach dem Gesetz neben Schadenersatzansprüchen wegen individueller oder kollektiver Vermögensschäden und immaterieller Schäden auch Bußgelder bis zu 50 Millionen BRL.

Das Team von Stüssi-Neves Advogados steht für Rückfragen zu diesem Thema zur Verfügung.

Fernando Seiji Mihara und Maria Lúcia Menezes Gadotti
Anwalt und Partnerin des arbeitsrechtlichen Bereichs – São Paulo
fernando.mihara@stussinevessp.com.br und marialucia.gadotti@stussinevessp.com.br