I – Einführung

Liebe Freunde und Mandanten,

trotz der Pandemie versuchen wir weiterhin, Ihnen interessante Artikel aus der juristischen Welt zu bieten.

Die erste Materie beschäftigt sich mit dem in der Präsidentenverordnung MP 905/2019 geregelten „Verde e Amarelo“ Vertrag, dessen Zweck in der Qualifizierung und Einstellung junger Menschen und der Reduzierung der Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe der brasilianischen Bevölkerung besteht.

In dem Artikel über die Kriminalisierung der vorsätzlichen Nichtabführung der Landes- Mehrwertsteuer ICMS geht es um eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Supremo Tribunal Federal in einem Rechtsmittelverfahren zum Habeas Corpus – „RHC“ Nr. 163.334.

Der letzte Beitrag beschäftigt sich schließlich mit dem Eigentumsvorbehalt bei internationalen Geschäften und den gesetzlichen Voraussetzungen für seine Wirksamkeit in Brasilien.

Ich möchte Ihnen ferner ein Zitat Albert Einsteins nahebringen:

„Ohne Krisen gibt es keine Verdienste. In ihr kommt das Beste jedes Menschen zum Vorschein, weil ohne Krise jeder Sturm nur eine Brise ist. Über die Krise zu sprechen heißt sie zu fördern und in der Krise zu schweigen heißt, mit ihr einverstanden zu sein. Wir sollten stattdessen hart arbeiten. Beenden wir ein für allemal die einzige, uns wirklich bedrohende Krise, die Tragödie, nicht kämpfen zu wollen, um sie zu überwinden.“

Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre. Das Team von Stüssi-Neves steht Ihnen für Rückfragen jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruiß,

Gustavo Stüssi Neves
gustavo.stussi@stussinevessp.com.br

II – Artikel

1 . Der Vertrag „Verde e Amarelo“ für Berufsanfänger

Am 11. November 2019 wurde in Fortführung der brasilianischen Arbeitsrechtreform die Präsidialverordnung (MP) 905/2019 veröffentlicht, die verschiedene Bestimmungen des brasilianischen Arbeitsgesetzbuchs ändert und eine neue Modalität des Arbeitsvertrages („Verde e Amarelo“) regelt, um einen Anreiz für die Einstellung junger Menschen zwischen 18 und 29 Jahren zu schaffen, die zuvor noch nicht beruflich tätig waren.

Nicht als vorherige berufliche Tätigkeit gelten für die Charakterisierung als erster Arbeitsplatz einmalige Arbeiten, Gelegenheitsarbeiten, Lehrlingstätigkeiten und Probezeitverträge, d.h. Mitarbeiter der in der MP definierten Zielgruppe können vorher in dieser Form beschäftigt worden sein und trotzdem von der Maßnahme begünstigt werden.

Die Einstellung kann zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2022 mit einer Höchstdauer von 24 (vierundzwanzig) Monaten erfolgen. Die Grenze des 31. Dezember 2022 gilt für Einstellungen, nicht für die Vertragslaufzeit. Das bedeutet, dass der Vertrag bis zum Dezember 2024 laufen kann, wenn die Einstellung im Dezember 2022 erfolgt.

Nach Ablauf der Höchstlaufzeit von 24 Monaten wird der Vertrag „Verde e Amarelo“ im Einklang mit den bereits existierenden Vorschriften des Arbeitsgesetzbuchs CLT automatisch in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt.

Die hier behandelte Einstellungsmodalität gilt sowohl für Übergangsaktivitäten als auch für permanente Aktivitäten. Untersagt ist jedoch die Ersetzung regular eingestellter Arbeitnehmer durch Mitarbeiter in dieser Vertragsmodalität. Die Modalität ist nur auf von Unternehmen neu geschaffene Arbeitsplätze anwendbar. Außerdem ist für einhundertachzig Tage ab Entlassung die Wiedereinstellung eines in anderen Modalitäten beschäftigten Arbeitnehmers untersagt. Dies gilt nicht für einmalige, gelegentliche Beschäftigungen, Lehrlinge oder Probezeitverträge.

Die Unternehmen können bis zu 20% ihrer Arbeitnehmer in dieser Vertragsmodalität beschäftigen. Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten dürfen maximal 2 Arbeitnehmer in dieser Modalität einstellen.

Bei Verstoß gegen diesen Prozentsatz werden diese Verträge unbeschadet anderer Verwaltungssanktionen durch Prüfer des Wirtschaftsministeriums unverzüglich in unbefristete Verträge umgewandelt. Untersagt ist schliesslich die Einstellung von Arbeitskräften, für die es Spezialvorschriften gibt.

Den in dieser Modalität eingestellten Mitarbeitern stehen alle in Verfassung, dem CLT und in Betriebs/Verbandstarifverträgen geregelten arbeitsrechtlichen Ansprüche zu, soweit diese nicht den hier behandelten Regelungen widersprechen.

Das Gehalt, das den jungen Mitarbeitern gezahlt wird ist beschränkt auf 1,5 Mindestgehälter („salário mínimo“), d.h. auf R$ 1.567,50 bei Zugrundelegung des aktualisierten Mindestgehalts in Höhe von R$ 1.045,00. Am Ende jedes gearbeiteten Monats (oder anderen von den Parteien vereinbarten, obligatorisch unter einem Monat liegenden Zeitraums) hat der junge Mitarbeiter Anspruch auf die unverzügliche Zahlung des Gehalts, des anteiligen 13. Gehalts, des Urlaubsentgelts und des in der Verfassung vorgesehenen Urlaubsgeldes in Höhe von 1/3 des Urlaubsentgelts.

Die Unternehmen werden bei dieser Modalität der Anstellung vom Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungsabgaben, von der Abgabe an das System “S” und von der Ausbildungsabgabe befreit. Ferner wird der Satz für den Beitrag zum Arbeitslosenfonds (FGTS) auf 2% gesenkt.

Das auf die Beiträge an den FGTS anfallende Bußgeld im Falle einer Kündigung, das bei dieser Modalität 20% statt 40% beträgt, kann monatlich oder in einem anderen, von den Parteien vereinbarten Zeitraum, der zwingend kürzer als ein Monat sein muss, vorab gezahlt werden. Es fällt bei jeder Art von Kündigung an, einschließlich Kündigungen wegen schwerwiegender Verstöße gemäß Art. 482 CLT.

Die Arbeitszeit folgt der allgemeinen Regel. Überstunden sind ebenso erlaubt wie der Ausgleich von Stunden im selben Monat oder mittels eines individuellen Zeitkontos.

Im Fall der Kündigung des Vertrages „Verde e Amarelo“ hat der Mitarbeiter Anspruch auf die kündigungsbedingt geschuldeten Beträge, sowie auf das Bußgeld des FGTS-Fonds und das Arbeitslosengeld, solange die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die vorzeitige Kündigung nicht zu einer Abfindung in Höhe der Hälfte des noch ausstehenden Zeitraums gemäß Art. 479 CLT führt und damit eine Ausnahme von der allgemeinen Regel für befristete Anstellungsverträge darstellt. Es ist allerdings möglich, eine Klausel aufzunehmen, die den Parteien das Recht zur vorzeitigen Kündigung einräumt.

Es handelt sich vorliegend nicht um den ersten Versuch einer brasilianischen Regierung, Anreize für die Einstellung junger Menschen zu schaffen. Es sei hier das „Programm Erster Arbeitsplatz“ (Programa Primeiro Emprego) genannt, das von der Regierung Lula geschaffen, später allerdings aufgegeben wurde, weil die Regierung anerkennen musste, dass die Politik der Subvention für die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht wie gewünscht funktionierte, da zunächst die berufliche Qualifikation junger Menschen verbessert werden musste, um deren Einstellung zu stimulieren. Im Jahr 2005, noch während der Regierung Lula, wurde das Arbeitsgesetzbuch CLT durch das Gesetz 11.180 geändert, um die Altersgrenze für Auszubildende auf 24 Jahre zu erhöhen.

Die fehlende berufliche Qualifikation junger Menschen ist nach wie vor ein Problem, das auch in der hier behandelten MP anerkannt wird. Die MP räumt den in der Modalität „Verde e Amarelo“ eingestellten jungen Menschen insoweit Priorität ein. Die entsprechenden Richtlinien werden noch vom Wirtschaftsministerium ausgearbeitet.

Wir hoffen, dass der Versuch der Qualifikation und Einstellung junger Menschen diesmal die vom Gesetz angestrebten Wirkungen zeigt und die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe der brasilianischen Bevölkerung reduziert wird.

Die Präsidentenverordnung, die Gegenstand heftiger Kritik der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und politischen Parteien ist, läuft Gefahr, ihre rechtliche Wirksamkeit zu verlieren, wenn im Bundessenat über sie nicht bis zum 20. April abgestimmt wird.

Maria Lúcia Menezes Gadotti
Partnerin des arbeitsrechtlichen Bereichs – São Paulo
marialucia.gadotti@stussinevessp.com.br

2. Der grosse Senat des Obersten Gerichtshofs festigt These, die zur Kriminalisierung der vorsätzlichen Nichtabführung der ICMS führt

Am 18. Dezember 2019 hat der große Senat des Obersten Brasilianischen Gerichtshofs (Supremo Tribunal Federal – „STF”) im Rahmen des außerordentlichen Rechtsmittelverfahrens im Habeas Corpus – „RHC“ Nr. 163.334 folgende These aufgestellt:

„Der Steuerzahler, der die von ihm als Käufer der Ware oder Empfänger der Dienstleistung geschuldete ICMS gewohnheitsmäßig und mit Untreuevorsatz nicht abführt, erfüllt den Tatbestand von Art. 2, II des Gesetzes Nr. 8.137/1990“.

Nach Auffassung des Berichterstatters und Bundesverfassungsrichters Roberto Barroso, der die Mehrheit des Gerichts gefolgt ist, ist der vom Verbraucher (faktisch Steuerpflichtiger) als ICMS verlangte Betrag nicht Teil des Vermögens des Verkäufers (rechtlich Steuerpflichtiger), sondern befindet sich bis zur ordnungsgemäßen Abführung an den Staat nur übergangsmäßig auf seinem Konto.

In diesem Sinne verletzt der Steuerpflichtige, wenn er die dem Landesfinanzamt erklärten Beträge vorsätzlich nicht abführt, nicht nur seine Steuerpflicht, sondern erfüllt auch den Straftatbestand der „Untreue“.

Der Richter hat allerdings darauf hingewiesen, dass für die Charakterisierung des Delikts der Nachweis erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige mit der Absicht gehandelt hat, das Delikt zu begehen, d. h. das Vorliegen von Vorsatz.

Nach Auffassung des STF ist Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands im konkreten Einzelfall die wirtschaftliche Verfügbarkeit der betreffenden Beträge für den Steuerpflichtigen zwecks Weiterleitung, da es ihm ansonsten unmöglich ist, sich anders als tatbestandsmäßig zu verhalten.

Die bloße Nichterfüllung steuerlicher Zahlungspflichten erfüllt daher nicht den Straftatbestand der Untreue. Wir verweisen insoweit auf die bereits bestehende Rechtsprechung des STF – Leitsatzentscheidung Nr. 25 – in der die Verhängung von Freiheitsstrafen gegen treuwidrig handelnde Verwahrer für rechtswidrig erklärt wurden –, sowie auf die auch von Brasilien unterzeichnete Amerikanische Menschenrechtskonvention (Abkommen von San José / Costa Rica), in der die Freiheitsentziehung aufgrund des Bestehens von Verbindlichkeiten untersagt wird.

In Bezug auf die Rechtswidrigkeit wirkt sich die neue These des STF in der Praxis daher nur dann aus, wenn im konkreten Fall neben dem Vorsatz die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die reguläre Abführung der als ICMS gutgeschriebenen Beträge erfüllt sind, mit denen sich das Verhalten nicht nur als Nichterfüllung von Steuerpflichten, sondern auch als Untreue einstufen lässt.

Schliesslich ist auf die dritte vom STF in dem Verfahren RHC Nr. 163.334 für die Charakterisierung des Straftatbestandes festgelegte Voraussetzung hinzuweisen, die im gewohnheitsmäßigen Verhalten des Steuerpflichtigen besteht.

Nach der Rechtsprechung des STF liegt somit eine Straftat gegen die Steuerordnung vor, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt: 1) Nichtabführung der festgestellten und vom Verbraucher der Ware oder Empfänger der Dienstleistung verlangten ICMS an den Staat, 2) Vorsatz der Untreue und 3) Gewohnheitsmäßigkeit.

Das Team von Stüssi-Neves steht für Rückfragen zu dem behandelten Thema gern zur Verfügung.

Beatriz Valle R. Santana e Arthur T. Stüssi Neves
Anwältin und Partner der Steuerabteilung – Rio de Janeiro
beatrizvalle@stussi-neves.com e arthurstussi@stussi-neves.com

3. Der Eigentumsvorbehalt und die Voraussetzungen für seine Wirksamkeit in internationalen Geschäften mit Brasilien

Verträge über den Kauf beweglicher Sachen und selbst andere, allgemeinere Dokumente (wie beispielsweise Allgemeine Geschäftsbedingungen) sehen oft Eigentumsvorbehalte vor, um sicherzustellen, dass der Verkäufer das Eigentum an der verkauften Sache solange behält, bis der Käufer den vollen Kaufpreis bezahlt hat.

Die erwähnte Klausel ist bei Verkäufen mit Zahlungsfristen zwar übliche Praxis und sogar empfehlenswert, reicht für sich genommen aber nicht immer aus, um den beabsichtigten Schutz zu garantieren und hat in der Praxis unter Umständen nicht die erwartete Wirkung.

Die brasilianischen Gesetze sehen zwar Regelungen für Eigentumsvorbehalte vor, allerdings werden diese in internationalen Verträgen letztlich oft nicht beachtet, was für den Verkäufer in dem Moment, in dem er versucht, sein Recht in Bezug auf den Eigentumsvorbehalt auszuüben, zu unangenehmen Überraschungen führen kann.

Oft liegt dies daran, dass die ausländischen Verkäufer ihre Verträge und/oder Allgemeinen Verkaufsbedingungen auf der Grundlage der Gesetze ihres eigenen Landes ausarbeiten und für eventuelle Streitigkeiten einen Gerichtsstand im eigenen Land wählen.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass der ausländische Verkäufer die Rechtswahl seines eigenen Landes vorzieht, weil ihm dies leichter und sicherer erscheint. Da es sich jedoch um internationale Geschäfte handelt, kann dies zu erheblichen Problemen führen, wenn sich der Verkäufer nicht vorher über die im Land des Käufers herrschenden Regeln informiert.

Ausländische Unternehmen mögen den Eindruck haben, dass die Wahl ausländischen Recht und eines ausländischen Gerichtsstandes ihren Interessen am ehesten gerecht wird, dabei handelt es sich aber nicht immer um die beste Option. Wir erinnern daran, dass eventuelle Maßnahmen für die Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache im Fall der Nichtzahlung im Land des Käufers getroffen werden müssen, weshalb es fundamental ist zu wissen, welche Maßnahmen nach den lokalen Gesetzen des Ortes, an dem diese erfüllt werden, ergriffen werden können.

In Brasilien ist die Möglichkeit der wirksamen Wahl des anwendbaren Rechts für sich genommen schon problematisch. Da die brasilianischen Gesetze Restriktionen für die Willensfreiheit der Parteien bei der Rechtswahl vorsehen, muss im Einzelfall geprüft werden, ob im konkreten Fall das Recht des Landes, in dem der Anbieter des Geschäfts ansässig ist, oder aber – im Fall der Verletzung der sog. öffentlichen Ordnung – das brasilianische Recht anwendbar ist.

Auch die Wahl des Gerichtsstandes muss genau geprüft werden, weil selbst dann, wenn es möglich ist, einen ausländischen Gerichtsstand zu wählen, nicht vergessen werden sollte, dass ausländische Entscheidungen in Brasilien in einem Anerkennungsverfahren beim Superior Tribunal de Justiça (entspricht dem deutschen BGH) anerkannt werden müssen, um in Brasilien Wirkungen zu entfalten (sog. „Homologação“), was die Vollstreckung zeitaufwändiger als erwartet machen kann.

Neben anderen Voraussetzungen sieht die brasilianische Gesetzgebung spezifisch in Bezug auf den Eigentumsvorbehalt vor, dass ein Vertrag mit einer derartigen Regelung innerhalb von 20 Tagen ab Unterzeichnung im sog. Register für Titel und Dokumente des Wohnortes des Käufers eingetragen werden muss. Die nicht fristgerechte Eintragung macht den Vertrag zwar nicht ungültig, der Eigentumsvorbehalt selbst wird dann jedoch erst ab seiner Eintragung wirksam.

Ist der Vertrag in ausländischer Sprache abgefasst, muss vor dem Antrag auf die Registrierung eine vereidigte Übersetzung ins Portugiesische angefertigt werden.

Ohne die Registrierung des Vertrages genießt der Verkäufer in Bezug auf den Eigentumsvorbehalt weder gegenüber Dritten noch gegenüber dem Käufer Schutz. Verkauft der Käufer die ihm unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Sache an einen Dritten weiter, gibt er diese in Garantie oder wird der Käufer insolvent, kann der Verkäufer daher nicht die Herausgabe der Sache auf der Grundlage des Eigentumsvorbehalts verlangen. Dies gilt auch für das gerichtliche Sanierungsverfahren, in dem die Klausel nicht den übrigen Gläubigern entgegengehalten werden und der Verkäufer damit als Gläubiger gilt, dessen Forderung nicht durch eine Garantie besichert ist.

Neben der Registrierung des Vertrages muss der Schuldner durch eine formelle Mitteilung oder den Protest eines Titels in Verzug gesetzt werden. Nur dann kann der Verkäufer die Rückgabe der Sache verlangen. Eine weitere Besonderheit des brasilianischen Rechts besteht darin, dass die Ausübung des Rechts auf Herausgabe einer unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache die Existenz eines Vollstreckungstitels (beispielsweise einen Wechsel oder einen sog. „vollstreckbaren“ Vertrag nach brasilianischem Recht) voraussetzt.

Darüber hinaus ist es nach brasilianischen Recht zulässig, in Verträgen Regelungen zu zwischen den Parteien auftretenden Rechtsstreitigkeiten aufzunehmen. Es ist daher ratsam, in Verträgen mit Eigentumsvorbehalt bspw. bereits die Möglichkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme der Sache für den Fall der Nichtzahlung, die Form der Bewertung der Sache zum Zweck der Ermittlung eines eventuellen Schuldnersaldos und die Haftung für die Kosten dieser Bewertung, die Möglichkeit des Verkaufs oder der Abtretung der Sache an Dritte, um deren Untergang zu vermeiden etc. zu regeln.

Davon abgesehen sollte den Allgemeinen Geschäftsbedingungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da sie im Gegensatz zu den spezifischen Kaufverträgen keine Beschreibung der Waren enthalten, die nach brasilianischen Gesetzen Voraussetzung für die Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts ist. Das brasilianische Zivilgesetzbuch verlangt, dass „eine nicht eindeutig beschriebene Sache nicht Gegenstand des Verkaufs unter Eigentumsvorbehalt sein kann”. Es gibt grundsätzlich auch im Fall von Eigentumsvorbehalten, die in Allgemeinen Kaufbedingungen geregelt sind, Formen der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen (beispielsweise die Registrierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusammen mit der Rechnung, die eine Beschreibung der verkauften Waren enthält, die Aufnahme eines ausdrücklichen Hinweises auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Rechnung selbst), das muss aber im konkreten Einzelfall geprüft werden.

Diese kurzen Anmerkungen machen deutlich, dass die Rechte des Verkäufers in Bezug auf das Eigentum an der Sache größere Aufmerksamkeit verlangt. Von der bloßen Aufnahme einer Eigentumsvorbehaltsklausel ohne eine vorherige Prüfung ist abzuraten. Daneben empfehlen wir stets eine weitergehende Prüfung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Gesetze des Landes des Käufers, um dem Verkäufer den bestmöglichen rechtlichen Schutz zu gewährleisten..

Frederico Amaral Filho e Charles Wowk
Anwalt und Partner der Zivilrechtsabteilung – São Paulo
frederico.amaral@stussinevessp.com.br e charles.wowk@stussinevessp.com.br